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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 26 Sch 21/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 1036 | |
ZPO § 1037 |
2. Eine Verletzung der Offenbarungspflicht des § 1036 Abs. 1 ZPO kann die Ablehnung des Schiedsrichters wegen Befangenheit rechtfertigen.
Gründe:
I.
Die Verfahrensbeteiligten sind Parteien eines Schiedsverfahrens in einer baurechtlichen Auseinandersetzung. Wegen parallel liegender Streitigkeit führt die Schiedsbeklagte weitere 19 Schiedsverfahren. In allen diesen Verfahren werden die Schiedsbeklagte von den Verfahrensbevollmächtigten der vorliegenden Sache und die Schiedskläger von Rechtsanwalt 1 vertreten. Das Schiedsgericht ist mit dem Richter am AG X als Vorsitzenden sowie den Rechtsanwälten 2 und 3 besetzt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am 9.7.2007 in sechs der 20 Schiedssachen wählte der Schiedsklägervertreter, Rechtsanwalt 1, gegenüber dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts, X, bei nur einer Gelegenheit die vertraute Anspracheform des "Du" ("Ich war der Auffassung, du meintest..."). Wie die für die Schiedsbeklagte tätige Frau Y anschließend durch eine Nachschau im örtlichen Telefonbuch erfuhr, wohnt der Vorsitzende des Schiedsgerichts im selben Haus, in dem der Prozessbevollmächtigte der Schiedskläger seine Kanzlei führt. Aufgrund dessen lehnte die Schiedsbeklagte den Vorsitzenden des Schiedsgerichts mit Schriftsatz vom 20. 7.2007 ab. In einer Erklärung zu dem Ablehnungsgesuch teilte der Vorsitzende des Schiedsgerichts mit, dass zwischen ihm und dem Prozessbevollmächtigten der Schiedskläger ein Mietverhältnis besteht. Das Schiedsgericht gab den Schiedsparteien Gelegenheit, bis zum 9.8.2007 zu dem Ablehnungsgesuch und zur Erklärung des abgelehnten Vorsitzenden Stellung zu nehmen. Am 10.8.2007 ging den Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsbeklagten ein Beschluss des Schiedsgerichts mit Datum vom 10.8. 2007 zu, durch den das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wurde. Am 23.8.2007 wurde den Verfahrensbevollmächtigten zusammen mit einem Begleitschreiben des Schiedsrichters Rechtsanwalt 2 ein weiterer Beschluss des Schiedsgerichts vom 10.8.2007 zugesandt, der sich von der früheren Beschlussversion dadurch unterschied, dass der Tatbestand dahin geändert wurde, dass es anstatt "Der Prozessbevollmächtigte der Kläger, RA 1, hat ...keine Stellung zum Ablehnungsgesuch und der dienstlichen Erklärung genommen" heißt:
"Der Prozessbevollmächtigte der Kläger, RA 1, hat ... am 09.08.2007 Stellung zum Ablehnungsgesuch und der dienstlichen Erklärung genommen ebenso wie der Vertreter der Beklagtenseite, RA 4".
In dem Begleitschreiben heißt es u. a.:
"...wird Ihnen zugestellt - Beschluss des Schiedsgerichts vom 10.08.2007 in Ausfertigung vom 23.08.2007, der den aufgrund eines Geschäftsstellenversehens am 10.08.2007 übersandten Beschluss vom 10.08.2007 aufhebt und ersetzt." (Bl. 44 d. A.).
Mit am 21.9.2007 eingegangenem Schriftsatz hat die Schiedsbeklagte beantragt, die Ablehnung des Schiedsrichters X für begründet zu erklären.
II.
A) Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, Richter am Amtsgericht X, ist zulässig. Der Antrag ist insbesondere rechtzeitig bei Gericht eingegangen. Nach § 1037 Abs. 3 ZPO ist der Antrag innerhalb eines Monats zu stellen, nachdem die ablehnende Partei von der Entscheidung des Schiedsgerichts über die Verweigerung der Ablehnung Kenntnis erlangt hat. Die Monatsfrist begann vorliegend erst am 23.08.2007 mit der Zusendung der im Tatbestand geändert Beschlussversion zu laufen. Es kann dahinstehen, ob die Frist bereits erstmals am 09.08.2007 mit Zugang der ersten Beschlussversion in Gang gesetzt worden war. Mit dem Erhalt der zweiten Beschlussfassung war der Schiedsbeklagten nämlich durch das Begleitschreiben des Schiedsrichters Rechtsanwalt 2 zugleich mitgeteilt worden, dass die erste Version aufgrund eines Geschäftsstellenversehens übersandt worden sei und die zweite Version die frühere aufhebe und ersetze. Daher musste die Schiedsbeklagte davon ausgehen, dass die erste Beschlussversion nicht nur berichtigt worden, sondern zudem ohne Willen des Schiedsgerichts in den Geschäftsgang gelangt und an die Schiedsparteien versandt worden war. Insofern kommen nicht die Grundsätze für den Lauf von Rechtsmittelfristen nach der Zivilprozessordnung zum tragen, wonach eine nachträgliche Berichtigung des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung unerheblich für den Lauf der Rechtsmittelfrist ist (siehe auch Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Auflage, § 517 Rdn. 6). Somit begann die Frist des § 1037 Abs. 3 ZPO maßgeblich erst mit Übersendung des Beschlusses am 23.08.2007 zu laufen; sie war bei Eingang des Antrages noch nicht verstrichen.
B) Der Antrag ist auch in der Sache begründet. Nach § 1036 Abs. 2 ZPO kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts im selben Haus, in dem sich die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsbeklagten befindet, von diesem eine Wohnung gemietet hat. Zudem besteht zwischen dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts und dem Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsbeklagten ein so vertrautes Verhältnis, dass sie sich im privaten Bereich mit "Du" anreden. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände allein ausreichen, um berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des abgelehnten Schiedsrichters aufkommen zu lassen. Zwar ist anerkannt, dass ein Schiedsrichter abgelehnt werden kann, wenn er Mieter einer Partei ist (OLG Stuttgart JW 1928, 1322; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kapitel 14 Rdn. 8; Münch in: Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl., § 1036 Rdn. 17). Ob dies auch dann gilt, wenn das Mietverhältnis des Schiedsrichters nicht mit der Partei selbst, sondern mit deren Verfahrensbevollmächtigten besteht, ist umstritten (zur Gleichstellung der Partei mit ihrem Prozessvertreter Münch a.a.O. Rdnr. 16; dagegen Zöller/Geimer § 1036 Rdn. 11; wohl auch Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit in der Praxis, Rdn. 533). Auch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen dem gegnerischen Verfahrensbevollmächtigten und dem Richter reicht grundsätzlich nicht für die Annahme einer Befangenheit des Richters aus (Zöller/Geimer, § 1036 Rdn. 11; a. A. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl., Rdn. 605). Hier kommt jedoch noch hinzu, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts es entgegen § 1036 Abs. 1 ZPO unterlassen hat, unverzüglich diese Umstände offenzulegen. Die Pflicht zur Offenlegung gilt für alle Umstände, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters wecken können. Sie umfasst deshalb nicht allein Gründe, die letztlich für eine Ablehnung des Schiedsrichters ausreichend sind. Es kommt bei der Offenbarungspflicht gemäß § 1036 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob diese Zweifel "berechtigt" sind, wie § 1036 Abs. 2 ZPO dies für einen Ablehnungsgrund voraussetzt (Münch, a. a. O., Rdn. 10; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 1036 Rdn. 2; Nacimiento/Abt in: Böckstiegel/Kröll/ Nacimiento (Ed.), Arbitration in Germany, § 1036 Rdn. 11). Vielmehr sind auch solche Umstände anzugeben, die schon bei der Besetzung des Schiedsgerichts für die Auswahl des Schiedsrichters unter dem Gesichtspunkt seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit maßgeblich sein können. Zu offenbaren sind dabei geschäftliche und engere gesellschaftliche Beziehungen des Schiedsrichters zu einer Schiedspartei (Musielak/Voit, a.a.O.), aber auch zu deren Verfahrensbevollmächtigten. Dies traf im Streitfall auf die Anmietung der Wohnung durch den Schiedsrichter und das ersichtlich nicht nur oberflächliche persönliche Verhältnis zu dem Verfahrensbevollmächtigten zu.
Verletzt ein Schiedsrichter seiner Offenbarungspflicht, kann sich daraus wiederum ein Grund für seine Ablehnung ergeben, sofern der Verstoß für sich bereits Zweifel an seiner Unparteilichkeit weckt (Münch a.a.O., Rdn. 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 1036 Rdn. 2; Lachmann a. a. O., Rdn. 618; ebenso Art. 4.1 der IBA Rules of Ethics of international Arbitrators, vgl. Weigel, MDR 1999, 1360, 1362).
Jedenfalls in ihrer Gesamtheit lassen die genannten Gründe (Mietverhältnis, persönlich-vertrautes Verhältnis und Verletzung der Offenbarungspflicht) berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des abgelehnten Schiedsrichters aufkommen, so dass das Ablehnungsgesuch gerechtfertigt ist.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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